Dag Hammarskjöld (1905-1961), der zweite UN-Generalsekretär, sagte 1954: «Die Vereinten Nationen wurden nicht gegründet, um uns in den Himmel zu bringen, sondern um uns vor der Hölle zu retten.» Das Rezept dazu: Krieg mit «Kriegern» (bzw. «Blauhelmen») zu verhindern. Das klingt paradox, aber rund 70 UN-Friedenseinsätze fanden seit 1948 statt, 17 davon laufen noch, einige fanden nie statt, weil der Sicherheitsrat sich über deren Durchführung nicht einigen konnte, und zwei sind klar gescheitert, weil die UN-Mitglieder dem UN-Generalsekretär nicht rechtzeitig genug Mittel zuerkannten (das geschieht leider oft): Ruanda 1994 und Srebrenica 1995. Beide Male waren den UN-Blauhelm-Soldaten die Hände gebunden, um einen Völkermord zu verhindern. Böse Omen für das 21. Jahrhundert: Denn 80 Jahre nach ihrer Errichtung bröckelt die internationale Ordnung, der Angriffskrieg ist auch in Europa nicht mehr tabu, Diktaturen erstarken und die Demokratie gerät in die Defensive, von aussen und innen. Sicher, Trump ist nicht Hitler, und die Geschichte wiederholt sich nicht, aber oft genug reimt sie sich eben doch. Demokratien gründen auf Gleichberechtigung. Wenn der gewählte Präsident der USA sagt, Migranten, die in den USA einen Mord begangen hätten, hätten dies getan, weil es in ihren Genen liege (8.10.24); oder dass Transgender-Menschen aus dem Militär, aus Grundschulen, Mittelschulen und Gymnasien verbannt werden sollen (23.12.24), dann wird diese Gleichberechtigung in Frage gestellt, und die Gefolgsleute auch in Europa jubeln Trump zu, ohne zu merken, dass sie den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Denn die Nachkriegsordnung, das Kriegsverbot, die Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Menschenrechte, die Demokratie und die Freiheit (und damit auch alle Innovationskraft, die Wirtschaft und der Wohlstand) – alles hängt mit allem zusammen. Vielleicht hilft es, sich an John Rawls (1921-2002) zu erinnern und an sein Gedankenexperiment vom «Schleier des Nichtwissens»: Angenommen wir alle würden uns vor unserer Geburt treffen und eine vernünftige Diskussion darüber führen, welche Prinzipien in der Welt nach unserer Geburt gelten sollen, ohne zu wissen, wo, wann oder als wer wir geboren werden – auf welche Prinzipien würden wir uns wohl einigen? - Eben. Es lohnt sich, sich für genau diese Prinzipien einzusetzen. Sich in die Haut derjenigen Menschen zu versetzen, die vor über 80 Jahren vom Faschismus und dem Holocaust direkt betroffen waren, kann ein erster Schritt in diese Richtung sein. Die Ausstellung «Lebensgeschichten: Zeitzeugnisse von Genoziden» zeigt anhand der Biografien von acht Zeitzeugen, wie brutal sich der Faschismus und der Holocaust ins Leben einfacher Menschen einschnitt. Es könnte auch uns treffen.
Matthias Kreher, Fachlehrer Geschichte und Staatskunde