„Die schwarzen Brüder“

Projektwoche im Tessin mit Duygu Ayas, Viktoria Balzer, Patrizia Furrer, Aline Güttinger, Elena Herger, Deborah Hofmann, Sakia Huber, Rebecca Meyer, Lara Nicolussi, Samira Sivanathan, Stefanie Suter und Romina Zumbühl.

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Es gab eine Zeit (Mitte 19. Jahrhundert bis Anfang 20. Jahrhundert) als arme Bergbauern im Kanton Tessin ihre Buben zwischen acht und fünfzehn Jahren als Kaminfegerbuben nach Mailand verkauften. „In notdürftige Lumpen gehüllt, barfuss oder nur mit schlechten Schuhen versehen und ohne Strümpfe müssen sie klappernd vor Kälte und entkräftet vor Hunger, von frühmorgens bis spätabends unter dem fortwährenden Geschrei: „Spazzafornello!“, das ihren jungen Lungen auch nicht zuträglich sein kann, die Stadt von einem Ende zum anderen durchziehen.“ (aus einer alten Tessinerchronik)

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Wie können zwölf Mädchen der KSB Anfang des 21. Jahrhunderts nachvollziehen, was das für ein Leben war? Ganz hinten im Val Lavizzara beziehen wir ein einfaches Haus, gebaut 1731. Obwohl alles vorhanden ist, bezeichnen die Mädchen das Haus als „alt verlottert und unheimlich“. Dass es kühl ist in den dicken Mauern und es draussen mehrheitlich regnet, hilft sich vorzustellen oder gar zu wünschen, besser leben zu können. Das herbstliche Bergwetter macht die Mädchen hungrig. Das Handy steht eine halbe Stunde pro Tag zur Verfügung und zeigt auf, dass es auch ohne gehen muss. Die Mädchen beginnen, sich mit dem was sie haben, auszuhelfen: Zwei Leggings werden übereinander angezogen, dass sie warm bekommen. Wenn sie in der bescheidenen Stube in der Schabkarton-Technik am Arbeiten sind, dazu „Die schwarzen Brüder“ hören und draussen der Regen in Fäden herunterprasselt, entsteht ein Atmosphäre, die an andere Zeiten erinnert.

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Der Kreis vom sich Vergegenwärtigen, was Not heisst, schliesst sich als wir auf unserer Regenwanderung im nebelverhangenen Val Peggia im hintersten Dorf an einem ehemaligen Schulhaus vorbeigehen, welches von jungen Männer aus Schwarzafrika bewohnt wird. Sie sehen etwas verloren aus. Zwischenstationiert, wartend.

Schön ist zu erleben, wie sich die Mädchen liebevoll umeinander kümmern und sorgen. Wie die Kaminfegerbuben in Lisa Tetzners Kinderbuchklassiker „Die schwarzen Brüder“.

Regula Bitter, Denise Lüthi